Die Premierenlesung zu Tanja Kinkels neuestem Roman „Schlaf der Vernunft“ fand am Donnerstag im Buch und Medienhaus Hübscher statt. Die Bambergerin geht darin auf das Leben der Hinterbliebenen eines Terroranschlags der RAF Ende der 70er Jahre als auch auf die Entlassung einer RAF-Terroristin 20 Jahre später ein.
Der neueste Roman von Tanja Kinkel „Schlaf der Vernunft“ beschäftigt sich mit einem Stück deutscher Geschichte: der RAF. Doch anders als Sachbücher oder geschichtliche Romane, geht Kinkel vor allem auf das Leben der Hinterbliebenen ein. Im Buch und Medienhaus Hübscher in Kinkels Heimatstadt Bamberg fand am Donnerstag die Premierenlesung statt.
Der Roman setzt im Jahr 1998 in Bamberg ein: Die Tochter der verurteilten RAF-Terroristin Martina Müller bekommt in einem Brief der Justizvollzugsanstalt mitgeteilt, dass ihre Mutter begnadigt worden ist und bald aus dem Gefängnis entlassen werde.
Tochter Angelika war mit acht Jahren von ihrer Mutter verlassen worden, die in den Untergrund ging, um Anschläge als RAF-Terroristin zu verüben. Vier Tote und ein Schwerverletzter in drei Minuten – dafür war Martina Müller, auch das „Biest von Nürnberg“ in den Medien genannt, schließlich verhaftet worden. Nun wird ihre Tochter, die seit ihrer Kindheit keinen Kontakt zu ihrer Mutter gehabt hatte, wieder von der Vergangenheit eingeholt.
Auch der Sohn des bei dem Anschlag getöteten Chaffeurs sowie der einzige Überlebende des Attentats bekommen die Nachricht der Begnadigung und auch nach 20 Jahren stellt sich ihnen die Frage, was sich genau an diesem Tag abgespielt hatte.
„Verstehen bedeutet nicht Entschuldigen“
Der spannende Einblick in den Beginn von „Schlaf der Vernunft“ fesselt Kinkels Publikum im Buch und Medienhaus Hübscher vollkommen. Die Gefühle und Gedanken der Protagonisten sind sehr einfühlsam dargestellt. So verschieden die Figuren sein mögen, von der Tochter einer Mörderin über einen Überlebenden des Attentats und die Terroristin selber, der Leser kann sich in jede Figur hineinfühlen und deren Beweggründe nachvollziehen. Doch Kinkel betont, dass „Verstehen nicht Entschuldigung bedeutet“.
Ähnlich aufwendig, wie beim Roman „Götterdämmerung“ aus dem Jahr 2003, der ebenfalls in der heutigen Zeit spielt, waren die Recherchen für „Schlaf der Vernunft“, erklärt die Bambergerin. Der damalige Staatssekretär im Justizministerium Klaus Kinkel ist nicht mit Tanja Kinkel verwandt, aber ein Freund und Nachbar ihrer Familie in Bamberg und diente der Autorin als Quelle.
Bei der Premierenlesung äußert sich Tanja Kinkel beim Interview mit der Leiterin der Buchhandlung Asli Heinzel auch zu den aktuellen Gewaltausschreitungen gegen Flüchtlinge: „Mir wird übel, wenn ich lese, wie mainstream ein bestimmtes Vokabular und populistische Floskeln geworden sind.“
Kinkels bisher erfolgreichster Roman „Die Puppenspieler“ verkaufte sich mehr als zwei Millionen mal, wurde in sechs Sprachen übersetzt. Die Verfilmung soll 2016 in der ARD ausgestrahlt werden. Insgesamt verkaufte sie mehr als 6,5 Millionen Bücher. Ihren ersten historischen Roman schrieb sie bereits im Alter von 19 Jahren.