„Markt der langen Gesichter“ am 27. Dezember im Sitzungssaal des Rathauses
Spitzweg zum Selbermalen? Rätsel-Puzzle? „Effi Briest“ von Theodor Fontane? Oder ein Vogelhaus Marke „Winterzeit“. Es braucht nicht viel, um sich vorstellen, dass bei dem ein oder anderen das Gesicht lang und länger wurde, als sich beim Auspacken entpuppte, was ihm als Weihnachtsgeschenk zugedacht war. Zum Glück gibt es in Bamberg den „Markt der langen Gesichter“. Die Idee: Wer nun so gar nicht glücklich wurde mit seiner „Effi Briest“, konnte am 27. Dezember ins Rathaus am Maxplatz kommen, um sich den Versteigerungskünsten von Bürgermeister Wolfgang Metzner anzuvertrauen. Und die haben es in sich.
Die Namensgebung des Marktes führt in die Irre. Lange Gesichter am Weihnachtsbaum – gut möglich. Im Großen Sitzungssaal suchte man sie allerdings vergeblich. Vielmehr anzutreffen waren heitere, lachende Gesichter. Ein Bürgermeister als Auktionator? Ein Schuh, der Wolfgang Metzner passt. Sprühend vor Witz und damit äußerst unterhaltsam versuchte er die verschmähten Präsente, unter deren Last sich der Ratstisch nahezu bog, an den Mann respektive an die Frau zu bringen. Eine Darbietung mit künstlerischem Anspruch, mindestens Stand-up-Comedy oder Improvisationstheater, gelenkt von den Geistesblitzen des Auktionators. So erklärt sich auch der Andrang. Gut 200 Mitsteigernde ließen sich im Sitzungssaal nieder, teils so behaglich, dass einem Vierbeiner ein Nickerchen vergönnt war. Etliche Nachkommende mussten sogar unverrichteter Dinge wieder abziehen – es war schlichtweg kein Platz mehr zu finden zwischen Stuhlreihen und Ratstischen.
Verschmäht war „Moppel Ich“, eine Anleitung zur Diät von einer Autorin namens Susanne Frölich. Ob es darin auch so zugeht, wie ihr Name verheißt? Eher nicht. Entsprechend zurückhaltend reagierte die Gemeinde und behielt ihre Euros lieber für sich. Da half auch nicht der Hinweis, dass 20 Prozent des Erlöses an die Kulturtafel Bamberg gehen, die es Zeitgenossen mit wenig Budget ermöglicht, kulturelle Veranstaltungen zu besuchen. Dass Wolfgang Metzner zum Äußersten griff und sich selbstironisch als Adressaten solcher Ratgeber bezeichnete, brachte auch nichts ein. Jedenfalls nicht viel. 3 Euro waren der Lohn der Mühen. Noch dazu wollte die Dame das Buch gar nicht. Unversehens gab sie es in die Hände des Bürgermeisters, dessen Freude sich aber in Grenzen hielt. Schließlich war er angetreten, Geschenke loszuwerden, die wenige haben wollten – und das zu einem guten Preis.
Keine leichte Aufgabe, das wurde schnell klar. Dem Auktionator war zugute zu halten, dass er gerade bei offensichtlichen Ladenhütern mit aller Finesse zu Werke ging. Trotzdem zeichnete sich ab: Bücher gehen gar nicht. „Effi Briest“, Schullektüre und Klassiker der deutschen Literatur, erbrachte 1 Euro. Lichtblick beim Gebundenen waren zwei dicke Kochbücher, garniert mit zwei Topflappen, die immerhin mit 15 Euro über den Ratstisch gingen. Monetäre Höhen erklommen hingegen zwei bemalte Porzellankrügchen Marke „Alt-Tettau“, geeignet auch für den Bierkonsum. Sie waren einem Marktbesucher 22 Euro wert. Die „Virtual Reality“-Brille, vom Bürgermeister selbstverständlich gleich ausprobiert, brachte 20 Euro ein.
Unterm Strich war der „Markt der langen Gesichter“ eine vergnügliche Veranstaltung, die – Beginn war um 10 Uhr – noch lange nach 12 Uhr rege besucht war. Der Kassensturz erbrachte 141,50 Euro für die Kulturtafel. Ein Verdienst, an dem Bürgermeister Wolfgang Metzner großen Anteil hatte.