Kunstinstallation „Broken“ mahnt gegen Gewalt an Frauen
Auf dem Bamberger Maxplatz, der sonst im Dezember von Glühweinduft geschwängert ist, wo Budenbesitzer ihren Christschmuck feilbieten oder Menschen aus Nah und Fern sich an Lebkuchen und Bratwürsten laben, herrscht gerade Corona-bedingt gähnende Leere. Am Sonntag, 6. Dezember, aber überraschten 221 Frauen und ein Mann die Passanten. In oranges Flatterband gehüllt zogen die Püppchen, die dieses Image ablegen möchten, ihre Betrachter unwillkürlich in den Bann. Die außergewöhnliche Installation namens „Broken“ ist als Aufruf zu verstehen. Sie gibt der Gewalt gegen Frauen ein Gesicht – wenn auch ein verschleiertes – und mahnt, hinzuschauen und zu handeln. Bewusst inszeniert der Künstler sein Werk im Nachgang zum „Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen“, der am 25. November war.
In der Nacht von Samstag auf Sonntag, dem Nikolaustag, rief die Polizei beim Künstler Dennis Josef Meseg an, und fragte, ob er denn seine Kunstinstallation „Broken“ verfrüht aufgebaut habe. Die Heilige Kunigunde auf der Unteren Brücke trug Orange, symbolisch stehend als Farbe der Freude, Freiheit, Geborgenheit und emotionalen Wärme. „Nein zu Gewalt an Frauen“ lautet die Message, die zunächst von dieser einen Frau in Bamberg ausging. Meseg hatte wohl „Mode macht Mut“, die die Heilige einkleidete, dazu inspiriert.
Aus der Opferrolle treten
Meseg zeigte „seine orangen Frauen“ bereits in Aachen, Düsseldorf und Köln, am vergangenen Sonntag dann in Bamberg. Eine unübersehbare Formation von 222 Schaufensterpuppen als stilles Mahnmal gegen Gewalt an Frauen durchbrach den düsteren Nikolaustag und stach den Vorbeischlendernden grell oder wärmend ins Auge. 221 Frauen und ein Mann von Kopf bis Fuß orange eingepackt, mit verschiedenartigen Flatterband-Botschaften, unkenntlich, ohne Gesicht – Opfer, die auffordern, sich mit Gewaltszenarien an Frauen auseinanderzusetzen, zuweilen sich aber auch aus der Opferrolle befreien, ein „Lass dir helfen“ demonstrierend.
„Macht weiter so!“
Meseg und sein Team „betreuten“ an dem Dezembersonntag ihr Frauen-Bataillon mit Fürsorge und Aufgeschlossenheit. Nah dran standen sie gleichermaßen an den „Mannequins“ wie auch an den Besuchern. „Ich habe das Gefühl, dass mein Kunstwerk bei denen, die heute hier gezielt oder auch zufällig vorbeilaufen, gut ankommt“, resümiert Meseg am Nachmittag. Auch wenn wenige in den direkten Austausch mit dem Künstler traten, untermauern die Eintragungen im Gästebuch seine Vermutung: „Ein tolles Projekt, das in seiner Art viel Aufmerksamkeit gewinnen kann und sollte! In einem westlichen Land, dass für Freiheit und Gleichheit stehen möchte, muss es mehr oder viele solcher Aktionen geben, um das Problem aus der Welt zu schaffen, wenn es denn möglich ist. Macht weiter so!“, heißt eine von vielen Vermerken.
Losmarschieren in Orange
Seine erste Installation „It is like it is“ in rot-weißem Flatterband umfasst 111 Figuren und war unter anderem am Reichstagsgelände in Berlin zu sehen. Meseg erläutert das Entstehen seiner zweiten, der orangen Großkunst so: „Die rot-weiße Installation ist in den verschiedenen Städten gut angekommen. Die Auseinandersetzung mit kritischen Themen, aber auch die Resonanz der Bevölkerung hat mich süchtig gemacht. Deshalb wollte ich noch einen draufsetzen. Jetzt sind 222 Figuren, die ein brisantes Thema versinnbildlichen, entstanden.“ Der Titel „Broken“ wird im Internet heiß diskutiert. Der Künstler hat dazu seine eigenen Gedankengänge: „Broken im Allgemeinen und in dieser Konstellation bedeutet, dass etwas in einem zerbricht. Das Herz, die Seele.“ Noch sind die Figuren eine homogene Masse. Man hat aber aufgrund der verschiedenen Aufschriften und Bekleidungsideen die Assoziation, dass die Frauen sich ihres Schicksals bewusst werden, aufstehen und anfangen, sich zu wehren. Generell erweckt die Gruppe den Eindruck, als möchte sie baldmöglichst losmarschieren. Und das zu Recht, denn jeder dritten Frau in Deutschland widerfährt sexuelle und körperliche Gewalt. Da auch Männer davon nicht verschont sind, steht die einzige männliche Puppe symbolisch für Gewalttaten an Männern.
Zum Künstler und zur Ausstellung
Dennis Josef Meseg, Jahrgang 1979, gebürtig in Bonn, ist Kunststudent an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft zwischen Köln und Bonn. Er war Praktikant bei Thomas Baumgärtel, auch bekannt unter dem Pseudonym „Bananensprayer“. Meseg finanziert seine Installationen privat. Den Standort Bamberg fand er in Bezug zum Thema Gewalt an Frauen auch hinsichtlich der Hexenverfolgung im Mittelalter passend. Nach Bamberg macht Meseg mit „Broken“ u. a. Station in Dresden, Frankfurt a. M., München und Berlin.