Studie zum sexuellen Missbrauch deckt Skandale auf
Ende letzten Jahres hat das Erzbistum Bamberg gegen einen Priester des Bistums Limburg Strafanzeige gestellt. Von 1986 bis 1993 soll der Beschuldigte dort einen minderjährigen Jungen mehrfach sexuell missbraucht haben. Das Opfer meldete sich beim Missbrauchsbeauftragten des Erzbistums Bamberg aufgrund der Berichterstattung über die Studie zum sexuellen Missbrauch durch Kleriker in der katholischen Kirche.
Der Beschuldigte, der bis zu seiner Pensionierung in der Pfarrseelsorge tätig war, verbringt seinen Ruhestand im Erzbistum Bamberg. Dort habe er gelegentlich Gottesdienstvertretungen übernommen. Nun, nach der Anzeige, hat die Diözese Limburg die kirchenstrafrechtliche Voruntersuchung eingeleitet. Dem Priester droht die Entlassung aus dem Klerikerstand, falls sich der Missbrauchsverdacht bestätigt.
Hatte das Bistum Limburg Kenntnisse über Missbrauch?
Das mutmaßliche Opfer wirft den damals Verantwortlichen des Bistums Limburg vor, Kenntnisse über den Missbrauch gehabt zu haben. Daraufhin leitete die Diözese eine externe Aufarbeitung dieses Falles ein. Die Erkenntnisse, die derzeit ein unabhängiger Jurist sich versucht zu verschaffen, werden den staatlichen Ermittlungsbehörden zur Verfügung gestellt.
88 Hinweise auf Missbrauch im Erzbistum Bamberg
Generell deckt eine Studie auf, dass auch am Erzbistum Bamberg Hinweise auf Missbrauch in 88 Fällen bekannt wurden. Die Missbrauchsstudie der katholischen Kirche – die Zahlen wurden im September 2018 vorgelegt – offenbart das hohe Ausmaß des Skandals. Dass in anderen Bistümern die Lage noch schlimmer als in Bamberg ist, macht die Sache dieserorts jedoch nicht besser.
Missbrauch in Bamberg: Fakten
- Prüferin: Rechtsanwältin Eva Hastenteufel-Knörr
- Prüfzeitraum: 1946 bis 2015
- Personalaktenanzahl: 1711
- in 41 Fällen Hinweise auf Missbrauch
- 88 Opfer im Alter von 4 bis 20 Jahren wurden identifiziert
- in 41 Fällen handelte es sich um einmalige Übergriffe
- in mindestens 7 Fällen geschah der Missbrauch über Jahre hinweg
Strafrechtliche Ermittlungen ersetzt die Studie nicht. Ohnehin sind die meisten Missbrauchsfälle schon lange verjährt. Es geht jedoch um eine Aufarbeitung, mit der sich die Kirche selbst Klarheit über das Ausmaß des Missbrauchs verschaffen will.
Stimmen aus der katholischen Kirche zu den Missbrauchsfällen:
Rainer Woelki (Kölner Erzbischof): „Ich bin persönlich zutiefst getroffen, ich schäme mich an dieser Stelle für meine Kirche.“
Reinhard Marx (Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz): „Allzulange ist in der Kirche Missbrauch geleugnet, weggeschaut und vertuscht worden. Für dieses Versagen und für allen Schmerz bitte ich um Entschuldigung.“
Georg Kestel (Generalvikar im Erzbistum Bamberg): „Hier gibt es nichts zu beschönigen.“
Stimmen von außerhalb:
Christian Pfeiffer (Kriminologe): „Die hohen Zahlen von Beschuldigten und Betroffenen schockieren ebenso wie das unfassbare Ausmaß der Nichtachtung gegenüber den Opfern und des Verschweigens und Vertuschens.“
Andreas Püttmann (Kirchenkenner; „Gesellschaft ohne Gott“): „Dass 4,4 Prozent der Kleriker seit 1946 durch sexuellen Missbrauch aktenkundig wurden, übertrifft frühere Annahmen und erschreckt. Besonders verstörend finde ich den Befund der geringen Reue unter den Tätern.“